Aus "Niederembt ein Dorf im Embegrund" von P. Daniels 1951
Wo noch vor einem Menschenalter von der Heerstraße zu Niederembt schräg
nach Südwesten ein schmaler Feldweg zur Windmühle abzweigte, stand ein anpruchloses
Kreuz aus Stein. Es war sicherlich nicht das erste an dieser Stelle und
wohl errichtet worden, als vor ihm ein anderes altersschwach und verwittert
war.
"Das Kreuz in der Heerstraße" Ecke Kreuzstraße / Neustraße
Es war im Halbkreis von einer Gruppe niedriger Zwerglinden umgeben
,deren Kronen kuppelförmlich zugeschnitten, den oberen Teil des Kreuzes
umfassen, und schier bis zur Erde herabreichen und den segnenden Himmel
verbinden mit der fruchtbaren Scholle. Manchem ein stiller Zufluchtsort
in Herzensweh und banger Sorge. Einer aber kniete öfter da auf der schmalen
Holzbank. Er starb in den achtziger Jahren des 19. Jh..
Wenn die Jungens mit ihm die fünf Wunden gebetet hatten, was immer zu lange
dauerte, dann griff der geheimnisvolle Mann stets tief in die Tasche seines alten
Rockes und teilte bunte Bildchen aus.
An einigen Tagen des Jahres aber geht es hier an dem Kreuze
ganz unheimlich zu, wenn nämlich am Vorabend vor Weißensonntag, vor Kirmes
und anderen frohen Festen, der Feldhüter mit einer langen glühenden Stange
bewaffnet, die Böller krachen ließ. Glücklich, wer mit dem Blasebalg das
Holzkohlenfeuer in dem alten eisernen Bratkessel anfachen,die Stange ins
Feuer halten, oder Pulver herbeiholen durfte. Noch gab es keine elektrische
Zündung. Wie es aber kam, daß gerade hier, am "Heerstroße Kröxche", mit
Böllern geschossen wird, besser gesagt geschossen wurde, soll folgende uns
überlieferte kleine Geschichte künden: Anfang Oktober 1794. zogen die Franzosen,
nachdem sie Aachen und Jülich eingenommen hatten, weiter ostwärts gegen
Köln, Neuß und Düsseldorf.
Kreuz an der Embestraße (18. Jh. über Sockel mit Nische Relief der Muttergottes in Muschelnische)
Am 4. Oktober kamen sie durch Niederembt. Kriegsvölker waren im Jülicher
Lande keine Seltenheit gewesen - die Niederembter regten sich darüber nicht
besonders auf. Ritt also in jenen Tagen von Jülich her ein Herold mit zwei
Trompetern in Kürassen und Raupenhelmen einer französischen Heeresabteilung
vorauf, die sich auf der alten Heerstraße zu Niederembt hielten und gegen
Köln oder Düsseldorf wälzte. Auf der Neustraße und in der Heerstraße hielten
sie ihre Rosse an, und nach schmetternden Fanfaren rief der Herold: "Leute,
die Kreuze, die Kreuze, nieder! Der Herr General will keine Kreuze sehen."
Mit dieser Aufforderung tat der General wohl nur das, was der französischen
Regierung gegenüber seine Pflicht war. Aber die Niederembter waren zunächst
nicht aus der Ruhe zu bringen. Doch was war zu tun? Und Eile war geboten,
denn die Kavallerievorhut sollte schon am Ausgang von Niederembt stehen.
Und das Kreuz an der Heerstraße, da müssen sie ja vorbei, die Franzosen;
da ertönt der Ruf: "Schanze hole, Mer bärme Schanz dröm". Und kaum sind
die Reiter auf Glesch zu verschwunden, da werden aus den nächsten Häusern
Schanzen herbei geschleppt, die von dem letzten "Oertchen", noch reichlich
im Trockenen lagerten und hastig im Viereck aufgeschichtet wurden, bis nichts
mehr vom Kreuz zu sehen war. Kaum war die letzte Hand angelegt, da kommen
auch schon die Franzosen. Mit zufriedenem Lächeln umstehen die Niederembter
das Werk ihrer Kriegslist. Und wie die letzten Franzosen ostwärts im Erfttal
verschwinden, da werden die Böller herbeigeholt und dröhnende Schüsse verkünden
dem ganzen Dorf die Freude über die Rettung des alten frommen Wahrzeichens
an der Heerstraße. Und seit der Zeit wurde zum Weißensonntag und an jedem
Feste am "Heerstroße Kröxcbe" mit Böllern geschossen.
Das beschriebene Kreuz befindet sich heute auf der Ecke Kreuzstraße/Neustraße.
Die geheimen Botschaft des Wegekreuzes in der Heerstraße
Kreuz and der
Heerstraße
Betrachtet man die Inschrift genauer, so fällt auf, daß einige
Buchstaben scheinbar willkürlich groß geschrieben sind. Das
Zahlensystem der Römer basiert auf genau diesen verwendeten Buchstaben.
Nach den Regeln des römischen Zahlensystems liefern die Zeichen jedoch
keine gültige römische Zahl, betrachtet man jedoch jedes Zeichen
einzeln und addiert deren Wert, so kommt man auf die Zahl 1861, dem Jahr
in dem diese Inschrift erstellt wurde.
Zur Erinnerung die Ziffernwerte des römischen Zahlensystems:
I=1, V=5, X=10, L=50, C=100, D=500 und M=1000
... und das ist die Lösung:
Ziffer
Wert
I
1
C
100
V
5
C
100
D
500
C
100
L
50
V
5
M
1000
Summe:
1861
weitere Wegekreuze in Niederembt
Das Kreuz Kirchstraße Hochstraße
Die Kapelle hinter dem Ortsausgang von Niederembt in Richtung Frankeshoven