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die Chronik von Niederembt 31. August 2009
Vor 110 Jahren: „Das Amelner Johännchen" läutet in Niederembt eine neue Epoche ein (1)

Vor 110 Jahren: „Das Amelner Johännchen" läutet in Niederembt eine neue Epoche ein

„Anfangs, do waren die Lück noch bang, zu fahren ob dem Eisenstrang..." Eine schnelle Bahn war das „Amelner Johännchen", wie sie liebevoll von den Niederembtern genannt wurde, sicherlich nicht; eben eine der vielen gemütlichen Bimmelbähnchen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im damaligen Kreis Bergheim verkehrten. Aber damals vor 110 Jahren, als schließlich die fast 14 Kilometer lange, ein Meter schmalspurige Eisenbahntrasse von Bedburg komplett bis nach Ameln ausgebaut war, eine Sensation. Hielt der Zug doch auch in dem eigens errichteten Bahnhof in Niederembt und brachte den Einwohnern viele Vorteile. Der Bau der Kleinbahn wurde vom Kreistag im Mai 1894 beschlossen. Jeder im Ort, so berichtete der Heimatkundler Peter Daniels, hatte gespart, um einmal mit der Bahn fahren zu können. Die meisten Niederembter waren von der neuen Technik begeistert, aber es gab auch einige, die ihr zumindest mit Respekt begegneten, wie in einem Gedicht von Peter Daniels zu lesen ist: "Anfangs, do waren die Lück noch bang, zu fahren ob dem Eisenstrang. Jeder sät, wat soll dat jeffe, hoffentlich blieve mir am levve."

Auf der Strecke von Bedburg nach Ameln fuhren die Dampfloks Personen- wie auch Güterzüge. Es gab außerdem „gemischte Züge", also Güterzüge, die auch Personen beförderten. Zur Zuckerfabrik in Ameln existierte eine eigene Zufahrt für die Eisenbahn. Bauern aus Nieder- und Oberembt transportierten vor allem ihre Zuckerrüben in die Fabriken nach Bedburg und Ameln. Von ihrem Bahnhof aus fuhren die Niederembter natürlich auch zur Arbeit, etwa nach Bedburg zu den Wollbetrieben, den Linoleumwerken oder der dortigen Zuckerfabrik. Schüler pendelten zwischen Niederembt und dem Bedburger Gymnasium oder zur Berufsschule nach Bergheim. Von Bedburg aus hatte man Anschluss nach Köln über Bergheim und Horrem. Von Ameln aus ging es dann Richtung Jülich.

Zum Niederembter Bahnhof gehörte auch eine Gastwirtschaft. Beide Gebäude lagen ein Stück nördlich der Ortschaft in Verlängerung des heutigen Etgendorfer Weges. Andreas Gronendahl hatte das Gasthaus 1900 erbaut. Die Linden, die der Wirt damals pflanzte, stehen heute noch vor dem Gebäude; jetzt ist es ein Wohnhaus.

Während des Krieges montierte die Wehrmacht Geschütze auf die Eisenbahnwaggons am Niederembter Bahnhof. Der Keller des Bahnhofs diente den Bewohnern der Wirtschaft als Luftschutzbunker. Als die Wehrmacht auf dem Rückzug war, wurde die Jülicher Eisenbahnverwaltung in den Bahnhof verlegt. Mit dem Näherrücken der Amerikaner flohen die Bediensteten. Sie ließen ganze Waggons mit Konservendosen und anderen Lebensmitteln zurück, von denen auch die deutschen Soldaten, die auf ihrem Rückzug durch Niederembt kamen, lebten.

Die Amerikaner richteten schließlich in der Gastwirtschaft der Gronendahls ihre Kommandantur ein. Nach dem Krieg mussten sich die Reisenden zunächst mit Viehwaggons begnügen, wie sich einige ältere Niederembter erinnern. Da der Ort einen Bahnhof hatte, reisten auch viele Städter zum Finkelbach. Sie kamen, um sich mit Lebensmittel zu „versorgen". Abends kehrten sie nach Hause zurück. Das „Amelner Johännchen" brachte auch Flüchtlinge aus dem Osten nach Niederembt. Von dort wurden sie in das Lager der Elsdorfer Zuckerfabrik gebracht.

Als nach dem Krieg der Zugverkehr auf der Strecke immer mehr abnahm, zog die Bahn ihre Beamten aus Niederembt ab. Der Bahnhof wurde in eine Agentur umgewandelt und schließlich der bahnverkehr Bedburg-Ameln im März 1953 eingestellt, Niederembt verlor seinen Bahnhof. Die Gastwirtschaft am Bahnhof wurde vier Jahre später ebenfalls geschlossen.

Längst ist die Strecke Bedburg - Ameln fast in Vergessenheit geraten. Nur noch einigen Dorfbewohnern ist bewusst, dass einst ein Zug über Niederembt fuhr. Das "Amelner Johännchen" prägte immerhin das Leben in dem Ort über mehr als ein halbes Jahrhundert.

(Quellen: „Niederembt ein Dorf im Embegrund" von Peter Daniels 1951 und www.niederembt.com)(Red.G)

Rundblick Elsdorf, 21. August 2009




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